Fremdelei
Dienstag, 29. September 2015
Was es bedeutet, die Heimat aus Gründen von Not, Leid und Elend verlassen zu müssen, das kann ich nicht ermessen. *Du kannst von dem, was du nicht fühlst, nicht reden*, meint Shakespeare. Wie es ist, sich fremd zu fühlen, da kann ich allerdings mitreden. Kennt doch vermutlich jeder. Und sich darüber gerade jetzt ein paar Gedanken zu machen, diesen Anstoß von Friederike von Landlebenblog zur Blogparade *Ich war fremd*, nehme ich sehr gerne auf. Weil beim Thema *fremd sein* irgendwie Widerstand in der Luft liegt. Sofort sehe ich das Baby vor Augen, dass von der Mama zur Tante gereicht werden soll und anfängt *zu fremdeln*.
Beginne ich mit dem Klassiker: auf Reisen. Eigentlich ein Privileg. Viele Winter waren wir als Touristen im Ausland unterwegs. Dabei ereignen sich quasi von allein Situationen, in denen ich
mich fremd fühlte. Kuba wäre dafür mein Paradebeispiel-Land, wenn man *fremd* im Sinne von *nicht Willkommen* nimmt.
Man kann sich sogar in der eigenen Familie fremd fühlen. Ich hoffte immer auf Indizien dafür, dass ich womöglich eben jenes Kind bin, das vom Zigeunerwagen gefallen war. *Fremd* in diesem Fall wie *nicht dazu gehörig*.
Natürlich läge zum
Thema mein Leben als Deutsche, die vor 10
Jahren nach Frankreich einwanderte, nahe. Dafür mag ich gerne zu Kathrin
schicken, die die Reibungen zwischen deutscher und französischer Kultur
so wunderbar eingefangen bekommt, dass es mir beim Lesen lächelnd
zwischen den Zähnen knirscht (mehr dazu von ihr: hier). Durch meiner Muttersprache bin ich verwurzelt mit einem Land und einer Kultur. Eine Muttersprache verlernt man nicht. Egal wie lange ich woanders lebe, ganz werde ich mich von dieser Heimat nie lösen. Gleichzeitig fußen meine Wurzeln wie verpflanzt nun in neuer Erde.
Auch der immer größer werdene Kontrast zwischen Stadt und Land fällt mir von Mal zu mal mehr auf. Stadt als mir befremdlicher Lebensraum, *fremd* im Sinne von *unnatürlich* - ergäbe einen Roman.
Nimmt man *ich war fremd* sinngemäßg wie *ich bin anders* auf, könnte ich auch sehr gut etwas zu Paaren mit deutlichem Altersunterschied schreiben. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Tatbestand ausreicht, um ordentlich anzuecken. Aber mittlerweile verstehe ich, dass ein solches Paar ganz alte, weibliche Wunden berührt: die Geschichte von einem Mann, der seine Frau gegen eine Jüngere eintauscht. Da wird ganz schnell pauschal geurteilt. Nicht wissend, dass der meine beispielsweise Witwer ist. Hinzu kommt, dass man sich als Mensch gerne einordnet in größere Zusammenhänge. Eine der Gruppen, denen man sich leicht zugehörig fühlt, ist die der gleichen Altersklasse. Ein Paar mit Altersunterschied verbindet aber unterschiedliche Generationen.
Das wäre soweit ja alles vertretbar, wenn ich anfügen könnte: *ich bin schwanger*, *ich faste gerade*, *ich vertrage Alkohol einfach nicht*, *ich nehme eben noch die Medikamente fertig* oder dergleichen. Aber nein, all das kann ich zu meiner *Verteidigung* nicht hervorbringen. Manchmal sage ich als Begründung lediglich lapidar: *Am Geschmack liegt es nicht*. Aber es war eine Entscheidung aus Vernunftsgründen: *Ich habe dem Rauschmittel Alkohol abgeschworen zugunsten meiner Achtsamkeit, meiner Wahrnehmung.*
Naja, grundeigentlich hätte ich ohne den Habib wohl trotzdem nicht aufgehört. Das Ergebnis der homöopathischen Arzneimittelprüfung von Alkohol - die Verreibung von Alkohol, die zu Tage bringt, was das Wesen von Alkohol ausmacht - half mir, künftig zu verzichten. Das Wesen von Alkohol ist Illusion. Oder um Goethe wieder hervorzuholen:
*Bunte Bilder wenig Klarheit
viel Irrsinn und ein Fünkchen Wahrheit,
daraus ist der schönste Trank gebraut,
der alle Welt erquickt und auferbaut.*
Vielleicht veröffentliche ich bei Gelegenheit mal den ganzen, doch recht unbequemen Text zum Thema Alkohol, den ich deshalb schon seit 2 Jahren in der Warteschleife vor mir herschiebe. Ich weiß nur zu gut, dass die Lust, sich darüber Gedanken zu machen, bedeutend kleiner ist, als ein Gläschen Wein zu trinken..
Worauf ich heute rausmöchte, ist die Tatsache wie leicht man selbst in der sogenannten eigenen Kultur zum Zaungast mutieren kann. In meinem Fall durch den Verzicht auf Alkohol - etwas, das mich sehr oft ausgrenzt. Ich brauche die unzähligen Gelegenheiten gar nicht aufzählen, in denen Alkohol hierzulande irgendwie dazu gehört. Ein Apéro ohne Alk ist wie Pommes ohne Ketchup. Oder nehmt all die vielen schönen Momente, in denen es heißt: *Hoch die Tassen! So jung kommen wir nicht mehr zusammen! Gin-Gin, jetzt lassen wirs uns gut gehen! Heute habe ich einen ganz besonderen Tropfen für uns* - Momente, in denen ich das Wasserglas hochhalte und das Ritual störe....
Das ist für alle nicht schön. Weil schöner eben *teilnehmen* ist. Für alle Beteiligten. Niemand ist gerne ausgegrenzt. Dazugehören fühlt sich deutlich besser an.
Man kann sich sogar in der eigenen Familie fremd fühlen. Ich hoffte immer auf Indizien dafür, dass ich womöglich eben jenes Kind bin, das vom Zigeunerwagen gefallen war. *Fremd* in diesem Fall wie *nicht dazu gehörig*.
Auch der immer größer werdene Kontrast zwischen Stadt und Land fällt mir von Mal zu mal mehr auf. Stadt als mir befremdlicher Lebensraum, *fremd* im Sinne von *unnatürlich* - ergäbe einen Roman.
Nimmt man *ich war fremd* sinngemäßg wie *ich bin anders* auf, könnte ich auch sehr gut etwas zu Paaren mit deutlichem Altersunterschied schreiben. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Tatbestand ausreicht, um ordentlich anzuecken. Aber mittlerweile verstehe ich, dass ein solches Paar ganz alte, weibliche Wunden berührt: die Geschichte von einem Mann, der seine Frau gegen eine Jüngere eintauscht. Da wird ganz schnell pauschal geurteilt. Nicht wissend, dass der meine beispielsweise Witwer ist. Hinzu kommt, dass man sich als Mensch gerne einordnet in größere Zusammenhänge. Eine der Gruppen, denen man sich leicht zugehörig fühlt, ist die der gleichen Altersklasse. Ein Paar mit Altersunterschied verbindet aber unterschiedliche Generationen.
*Der ist nicht fremd, der teilzunehmen weiß* sagt Goethe. Und so lautet die Zeile eines französisches Trinkliedes *Il es des nôtres, il a bu son verre comme les autres* - *Er ist einer von uns, er hat sein Glas wie die anderen getrunken*. Womit wir bei einem Thema rausgekommen wären, mit dem ich außerdem gerne andere befremde: Ich trinke keinen Alkohol. Nie. Also seit zehn Jahren nicht mehr.
Das wäre soweit ja alles vertretbar, wenn ich anfügen könnte: *ich bin schwanger*, *ich faste gerade*, *ich vertrage Alkohol einfach nicht*, *ich nehme eben noch die Medikamente fertig* oder dergleichen. Aber nein, all das kann ich zu meiner *Verteidigung* nicht hervorbringen. Manchmal sage ich als Begründung lediglich lapidar: *Am Geschmack liegt es nicht*. Aber es war eine Entscheidung aus Vernunftsgründen: *Ich habe dem Rauschmittel Alkohol abgeschworen zugunsten meiner Achtsamkeit, meiner Wahrnehmung.*
Naja, grundeigentlich hätte ich ohne den Habib wohl trotzdem nicht aufgehört. Das Ergebnis der homöopathischen Arzneimittelprüfung von Alkohol - die Verreibung von Alkohol, die zu Tage bringt, was das Wesen von Alkohol ausmacht - half mir, künftig zu verzichten. Das Wesen von Alkohol ist Illusion. Oder um Goethe wieder hervorzuholen:
*Bunte Bilder wenig Klarheit
viel Irrsinn und ein Fünkchen Wahrheit,
daraus ist der schönste Trank gebraut,
der alle Welt erquickt und auferbaut.*
Vielleicht veröffentliche ich bei Gelegenheit mal den ganzen, doch recht unbequemen Text zum Thema Alkohol, den ich deshalb schon seit 2 Jahren in der Warteschleife vor mir herschiebe. Ich weiß nur zu gut, dass die Lust, sich darüber Gedanken zu machen, bedeutend kleiner ist, als ein Gläschen Wein zu trinken..
Worauf ich heute rausmöchte, ist die Tatsache wie leicht man selbst in der sogenannten eigenen Kultur zum Zaungast mutieren kann. In meinem Fall durch den Verzicht auf Alkohol - etwas, das mich sehr oft ausgrenzt. Ich brauche die unzähligen Gelegenheiten gar nicht aufzählen, in denen Alkohol hierzulande irgendwie dazu gehört. Ein Apéro ohne Alk ist wie Pommes ohne Ketchup. Oder nehmt all die vielen schönen Momente, in denen es heißt: *Hoch die Tassen! So jung kommen wir nicht mehr zusammen! Gin-Gin, jetzt lassen wirs uns gut gehen! Heute habe ich einen ganz besonderen Tropfen für uns* - Momente, in denen ich das Wasserglas hochhalte und das Ritual störe....
Das ist für alle nicht schön. Weil schöner eben *teilnehmen* ist. Für alle Beteiligten. Niemand ist gerne ausgegrenzt. Dazugehören fühlt sich deutlich besser an.
*Einander kennenlernen, heißt lernen, wie fremd man einander ist.* sagt Christian Morgenstern. So ist's halt. Wir gleichen einander nicht wie einem Ei dem anderen. Gott sei Dank - wir würden ja vor Langeweile nach vorne über kippen, wenn es so wäre.
Unterschiedlich sein, einander fremd sein, das müssen wir lernen auszuhalten. Ja, das ist oft anstrengend, kostet Energie, macht Reibung, befruchtet, regt an und auf - aber das ist der Boden der Freiheit, der uns ermöglicht, dass wir uns individuell entwickeln. Und ich will individuell sein. Und ich will andere individuell lassen. Deshalb sollte *fremdeln* und *befremden* gelebte Kultur von Menschen sein, die sich unter die Freigeister mischen wollen.
Einigkeit trotz unterschiedlicher Haltungen. Eigentlich was ganz normales - überall dort, wo für Meinungs- und Religionsfreiheit Platz ist. *Freilassen* lautet das Credo. Da ist Luft für alle da.